Ausgegraben
Hier schreiben Mitarbeitende des Museum Burghalde in Lenzburg über originelle Fundstücke aus Estrich, Keller und Erde.
Die Kolumne im Lenzburger Bezirks Anzeiger erscheint ab September 2020 jeweils in der ersten Ausgabe des Monats.
Dass es bei der Lenzburger Seifenfabrik auch Mal um nackte Tatsachen ging, war nicht zu erwarten, … bis kürzlich eine historische Playboy-Aktie auftauchte. Mehr zum schlüpfrigen Seifengeschäft mit einem Augenzwinkern:
Wer denkt bei duftender Seife nicht automatisch an frische (Bett-)Wäsche. Die Werbewelt schliesst die reizenden meist weiblichen Schönheiten automatisch mit ein. Unzählige historische Etiketten, Plakate und Sammelkarten mögen dies belegen. Dass visuell die Hüllen fallen, ist bisweilen den Sujets geschuldet: Die Wassernixen etwa, die antike Seefahrer und Abenteurer wie Odysseus bezirzten. Die Tube «Badedas» auf dem Werbeplakat verwandelt die mythologische Erzählung in ein lustvolles Schaumbad. Für jeden Frauentyp den passenden Duft versprachen die sechs verführerischen Schönheiten auf einem 200-jährigen Druckbogen: «La calabrèse» mit Décolleté; «La Innocente» mit verführerischem Augenaufschlag oder «Jeanne d’Arc», die – frisch gebadet und parfümiert – nach grenzenloser Freiheit verlangte … Vor diesem Hintergrund ist die in der Seifi Lenzburg einst hergestellte Seife «für Herzensbrecher» besonders amüsant. (Die Erwähnung vom Seifi-eigenen «REX», König aller Scheuermittel, wäre an dieser Stelle wohl zu schmierig). Die «Enthüllung» der jüngst in einer Auktion aufgetauchten Playboy-Aktie, ausgestellt am 9. November 1977 auf die Seifenfabrik Lenzburg AG (!), schiesst den Vogel ab.
Mit einem zwinkernden Auge lässt sich heute nur mutmassen, welche Strategie das Seifi-Management damals verfolgte: Sollten fortan Playboy-Häschen für saubere Geschäfte stehen (respektive liegen)? Wie einst die Übergabe dieser einen einzigen(!) schlüpfrigen Aktie erfolgte, liegt indes im Dunkeln: Jedenfalls sind in den Rechnungsbüchern der Seifenfabrik Lenzburg bist dato keine Reise- und Verpflegungsspesen von Hugh Hefners «Playboy-Ranch» aufgetaucht… Die Ausstellungen «Saubere Sache» und «Steinfels – vom Henker zum Sieder» sind noch bis 30.12.2021 geöffnet.
Bild: ONE SHARE. Eine einzige Playboy-Aktie von 1976, ausgestellt auf die Seifenfabrik Lenzburg.
Foto: Museum Burghalde Lenzburg
Artikel von Marc Philip Seidel, Museumsleiter und Co-Kurator «Saubere Sache» vom 02.12.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Eines der grossen Highlights in der Sammlung des Museums Burghalde ist das Missale des Ulrich Hirslin aus Lenzburg. Das historisch wertvolle liturgische Messbuch enthält die Gebete, die vom Priester gesprochen oder gesungen werden. Wichtiger als der Inhalt dieses Missales ist jedoch die künstlerische Gestaltung des geschriebenen und gemalten Werkes. Es handelt sich somit um Luxushandschriften
– verfasst rund drei Jahrzehnte nach der Erfindung des modernen Buchdrucks von Johannes Gutenberg.
Start bei Kaspar von Hallwyl
Das Missale des Ulrich Hirslin hat im wahrsten Sinne eine bewegte Geschichte. Es wurde 1483 verfasst. Der Auftraggeber ist nicht bekannt. Die ersten bekannten Besitzer des Werkes waren die Herren von Hallwyl. Sie waren möglicherweise bereits Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz der kostbaren Handschrift. Jedenfalls war der erste namentlich erwähnte Besitzer Kaspar von Hallwyl. Als dieser seinen Wirkungskreis von Schloss Hallwyl in die Ostschweiz verlegte, gelangte das Missale nach Schloss Wartensee in Rorschacherberg und in den Besitz von Kaspars Schwiegersohn, Wilhelm Blarer. Wie allerdings aus einer Notiz von 1572 hervorgeht, sollte das Missale
– nach der gottgefälligen Rückkehr des Ortes zum katholischen Glauben – zurück nach Hallwil kommen. Denn einzig der Ort Hallwil habe Anspruch auf dieses Buch (!), so liess man verlauten.
Danach verliert sich die Spur des Missales, bis es 1932 auf einer Londoner Auktion vom Buchantiquariat Laube aus Zürich erworben wurde. Das kostbare Werk, dazumal im Besitz einer englischen Privatsammlung, sollte einen neuen Besitzer finden. Wie das Missale einst nach England gelangte, lässt sich nur erahnen. Möglicherweise kam es durch den englischen Komponisten Baron Robert Lucas Pearsall de Willsbridge dorthin. Dieser nämlich erwarb im Jahr 1843 das Schloss Wartensee – vermutlich – mitsamt Bücherbestand.
Den Zuschlag erhielt bei der Londoner Auktion ein Schweizer Händler, in dessen Besitz das Missale bis 2005 verblieb. Als bei einer Ausstellung im Disteli-Museum in Olten das kostbare Stück gezeigt wurde, kam bei Gottfried Wälchli, dem Betreuer dieser Ausstellung, der Wunsch auf, dass die mittelalterliche Handschrift eines Tages zurück nach Lenzburg gelangen würde. Also an den Ort, wo das Buch einst von Ulrich Hirslin vor Jahrhunderten geschaffen wurde. Mit der Erwerbung der Handschrift für das Museum Burghalde ging dieser Wunsch in Erfüllung. Ob Kaspar von Hallwyl und seine Erben erfreut wären, dass ihr Missale heute im reformierten Lenzburg im Museum
Burghalde ausgestellt ist? Ulrich Hirslin jedenfalls dürfte sich hoffentlich freuen. Das Missale und zahlreiche andere Lenzburger Kostbarkeiten können im Museum Burghalde bestaunt werden.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 02.11.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Es gibt sie flüssig bis fest, bereits auf Textil- oder Plastikstreifen fixiert, in grossen Kübeln oder kleinen Tuben. Als Allrounder oder auf ein bestimmtes Material spezialisiert sind sie in jedem Haushalt zu finden: Klebstoffe! Einfach zu handhaben und günstig, werden immer leistungsfähigere Kleber entwickelt. Sei es Beton, Metall, Kunststoff, Holz oder gar menschliches Gewebe, es wird geklebt, was das Zeug hält.
Der Alleskleber, eine moderne Erfindung?
Weit gefehlt! Bereits tausende Jahre vor Uhu und Co. wurde in der Steinzeit das erste Klebemittel auf Kunststoffbasis entdeckt. Das sogenannte Birkenpech ist eine schwarze Masse, die bei Zimmertemperatur erstarrt, über einer Flamme erhitzt jedoch plastisch und extrem klebrig wird. Einmal angebracht, lässt sich Birkenpech kaum mehr entfernen. So wurden damit Messerklingen in Holzgriffe geklebt
oder zerbrochene Tontöpfe geflickt. Und schmierte man sich das Zeug unachtsam an die eigenen Finger, dann blieb es dort erst mal eine Weile. Frei nach dem Werbeslogan eines bekannten Kleberherstellers: Im Falle eines Falles, Birkenpech klebt alles.
Die Produktion des Steinzeitklebers erforderte chemisches Know-how: Unter Sauerstoffabschluss wurde Birkenrinde erhitzt und so das Pech aus der Rinde gelöst. Das Verfahren hinter diesem Vorgehen nennt sich trockene Destillation oder Pyrolyse. Auf welche Weise die
steinzeitlichen Alchemisten diesen Prozess vollzogen, ist ein noch ungelöstes Rätsel. Möglich wäre es mit zwei ineinander gestellten Tongefässen gewesen, die von aussen mit Feuer erhitzt wurden. Nicht nur wegen seinen klebenden Eigenschaften war Birkenpech in der
Steinzeit beliebt. Nebst zahlreichen krebserregenden Stoffen enthält Birkenpech auch das entzündungshemmende Betulin.
Zahnabdrücke auf Birkenpechklumpen legen nahe, dass die Masse gegen Zahnbeschwerden gekaut wurde. Ob das Kauen bei den betreffenden Personen für mehr Schaden oder Linderung sorgte, ist nicht bekannt. Im Museum Burghalde sind verschiedene
jungsteinzeitliche Funde präsentiert, die mit Birkenpech geklebt wurden. Ein Film zeigt, wie mit Pech eine Feuersteinspitze an den Pfeilschaft geklebt wird.
Artikel von Jonas Nyffeler, Kurator Archäologie, vom 07.10.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Beim Besuch eines Museums tauchen manchmal ziemlich skurrile Objekte auf. Viele der alten Gegenstände haben heute keine Funktion mehr. Folglich ist es schwierig zu erkennen, wofür sie einst verwendet wurden. Es finden sich aber auch Gegenstände, denen man ihre Funktion vermutlich gar nie angesehen hat. Es sind Objekte, die schon kurios waren, als sie noch beim Krämer im Laden standen. Ein wunderbares Beispiel ist etwa die Schuh-Tabatière, eine Schnupftabakdose in Form eines kleinen Schuhs. Tabak war ab dem 17. Jahrhundert en vogue. So auch in Lenzburg. Und das, obwohl oder vielleicht gerade weil der Tabakkonsum im bernischen Herrschaftsgebiet bis ins frühe 18. Jahrhundert verboten und sogar strafbar war. In der Stadt Basel sah man es mit dem Tabakgenuss
nicht ganz so streng und erfreute sich am florierenden Handel mit dem Gewächs aus Übersee.
Tabak vom Baumwollverleger
Die Lenzburger Baumwollverleger, die hauptsächlich in Basel verkauften, belieferten seit den 1750er-Jahren die Lenzburger Tabakliebhaber. Zwischen 1759 und 1769 erhöhte sich der Tabakimport massiv. Doch mit dem Konkurs der Baumwollverleger
in den 1780er-Jahren schied Lenzburg als Handelsort für Rauchtabak aus. Nicht so aber aus dem Geschäft mit dem Schnupftabak. Dieses ging dann erst richtig los. Bald galt das Schnupfen als die feinste Form des Tabakgenusses und auch die Damen gönnten sich gerne eine
Prise. Der «Lenzburger», wie der gute Schnupftabak genannt wurde, wurde in der Stadt gegärt, zerkleinert und erfreute sich auch ausserhalb Lenzburgs grosser Beliebtheit.
Tabatière auf jedem Tisch
In den 1880er-Jahren stand fast in jeder Lenzburger Wirtschaft noch eine Tisch- Tabatière zur allgemeinen Bedienung. So eben auch Schnupfdosen in Schuhform. Angeblich stellt das kuriose Objekt einen Glücksschuh dar, mit dem man sich beim Schnupfen nicht nur Glück, sondern eben auch Gesundheit im wörtlichen Sinn reinziehen konnte. Na dann: À votre santé! Die Schuh-Tabatière und andere köstliche Schnupfdosen lassen sich im Museum Burghalde begutachten.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 02.09.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Die Aufregung ist gross am Morgen des Renntags. Noch ein letzter Check des Fahrzeuges. Erfüllt es alle Auflagen? Ist alles in Ordnung? Es wäre ein Jammer, wenn sich die ganze Arbeit nicht gelohnt hätte und keine Starterlaubnis erteilt würde. Doch dann, Erleichterung! Der
Wagen ist zugelassen. Die Euphorie steigt, ebenso die Nervosität. Denn die Strecke vom Schlossberg hinunter ist ziemlich steil…
Selbst gebaute Flitzer
Etwa so ergeht es vielleicht den jungen Pilotinnen und Piloten, die mit ihren selbst gebauten Flitzern am Lenzburg Seifenkisten-Derby teilnehmen. Heutige «Seifenkisten» haben optisch nicht mehr viel mit einer (Kernseifen-)Holzbox auf Rädern zu tun. Eher gleichen sie Formel-1-Rennwagen in klein, die jedoch ebenso strenge Auflagen erfüllen müssen. Für Fahrer ohne eigenen «Rennstall» besteht
gar die Möglichkeit, einen Mini-Boliden bei der IG Seifenkisten Derby Schweiz auszuleihen.
Einige starten vielleicht zum ersten Mal, andere sind bereits «alte Hasen» und kennen ihren eigenen Rennschlitten in und auswendig. Sie alle sind aber noch nie in Lenzburg gestartet, weil zu jung. Mit dem Lenzburg Seifenkisten-Derby wird dieses Jahr eine alte Tradition wieder aufgenommen, die jedoch einige grössere Lücken aufweist. Bereits früher soll es Derbys am Schlosshügel gegeben haben
Gesichert ist, dass Lenzburg 1991 der Pfadi als Kulisse für ihren Slapstick-Movie «Boliden» diente (übrigens zu sehen in der Ausstellung «Saubere Sache»). Viel früher soll es bereits informelle Derbys vom Schlosshügel hinunter gegeben haben. Die Informationen dazu müssen aber «ausgegraben» werden. Die Nachforschungen zu diesen waghalsigen Rennen laufen auf Hochtouren. Hinweise aus der Bevölkerung werden dankend entgegengenommen. Wann fanden diese statt? Wie sahen die «Kisten » aus? Strecke und Fahrzeug dürften
wohl noch nicht ganz so akribisch geprüft worden sein. Doch das Herzklopfen Sekunden vor dem Start, der Nervenkitzel in der engsten Kurve und die begeisterte Menge auf der Zielgeraden dürften damals wie heute begeistert haben.
Hinweis: Am 21. August 2021 findet das Derby im Rahmen eines Erlebnis-Wochenendes rund um Seife und Sauberkeit beim Museum Burghalde statt. Die Anmeldung auf www.seifi.ch steht allen Rennfahrerinnen und Rennfahrern zwischen 8 und 16 Jahren offen.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 05.08.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Während des letzten Jahres entdeckten Herr und Frau Schweizer wieder vermehrt ihre Leidenschaft zum Brotbacken. Egal ob Sonntagszopf oder Sauerteigbrot, der Duft des frisch gebackenen Brotlaibes liess so manches Herz höherschlagen und machte das Zuhause so richtig heimelig. Die moderne Küche bietet allerlei Hilfsmittel, von der Knetmaschine bis zum Backofen, dem Combi-Steamer oder gar dem Brotbackautomaten mit programmierbaren Bräunungsgraden. Backen funktioniert quasi auf Knopfdruck. Aber ist das überhaupt gewünscht?
Im Garten des Museums Burghalde steht ein Backofen einer ganz anderen Art. Es handelt sich um einen kuppelförmigen Lehmofen, der über einem Flechtwerk aus Weidenruten gefertigt wurde. Das Gebilde gleicht einem Pizzaofen und funktioniert auch sehr ähnlich.
Allerdings stammt die Vorlage nicht aus Italien, sondern von den stein- und bronzezeitlichen Siedlungen der Schweiz. Zahlreiche Schulklassen kommen jedes Jahr im Sommer in den Genuss, hier ihre Brötchen zu backen. Dafür mahlen sie zuerst eigens das Mehl auf dem steinzeitlichen Mahlstein. Das Feuer muss früh entfacht werden, damit der Ofen richtig aufgeheizt ist. Die optimale Temperatur ist schliesslich das A und O des perfekten Brotes. Gar nicht so einfach ohne Anzeige. Nur so entstehen aus dem von Hand gekneteten
Teig kleine, flache Brötchen. Wird der Backvorgang nicht gut überwacht, wird aus einem Teigfladen schnell eine karbonisierte Scheibe. Was allerdings nach sorgfältig getaner Arbeit wieder aus dem Ofen herausgenommen werden kann, ist sicherlich ein Laib mit Seele.
Kurz die Asche- und Kohlereste abklopfen und – nach dem Auskühlen – geniessen. Natürlich muss nicht jedes Brot auf ganz so rustikale Art gebacken werden. Die Nachfrage an Holzofenbroten, Gärkörbchen und Rezepten für Brot aus dem Feuertopf zeigen, dass die moderne
Technologie und das «Brot auf Knopfdruck» die Freude an einem handgekneteten Teig nicht schmälern können. Das Herstellen eines guten Brotes ist eben ein Erlebnis.
Der nachgebaute Lehmofen steht im Garten des Museums Burghalde. An zwei Steinzeittagen während der Sommerferien können Kinder zwischen 8 und 12 Jahren dort ihr eigenes Pfahlbaubrot backen.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 01.07.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Ein Haus mit Seeanschluss. Wer wünscht sich das nicht. Was heute verklärte Romantik und Luxus ganz weniger ist, war während der Pfahlbauzeit Standard.
Nicht, dass damals die Seesicht das schlagende Argument für den Bauort gewesen wäre (wenn dies auch bereits in der Urgeschichte sicherlich reizvoll war): Damals war es schlicht bequemer, am baumlosen Ufer zu bauen. Kein Urwald musste zuerst für das Bauland gerodet werden und im matschigen Untergrund liessen sich die Hauspfähle wunderbar in den Boden rammen. Frischen Fisch gab es zusätzlich direkt vor der Haustüre und mit dem Einbaum paddelte es sich in Windeseile von A nach B.
Feuchtigkeit konserviert
Mit der Standortwahl ihrer Dörfer bescherten die Pfahlbauer heutigen Wissenschaftlern unbewusst ein Forschungsparadies. Im feuchten Boden und unter Sauerstoffabschluss erhielten sich über die Jahrtausende nicht nur Keramikscherben und Steinartefakte. Auch organische Überreste, vom winzigen Parasitenei bis zum acht Meter langen Einbaum, wurden so über Tausende Jahre konserviert.
Fischschuppen, Pilze, Hausteile, Pflanzenpollen, Schuhe, Holzlöffel und sogar Koprolithen, die «Häufchen» der Pfahlbauer, werden in solchen Fundstellen entdeckt. Die Liste liesse sich ins Unendliche verlängern. Dank dieser guten Ausgangslage besitzen wir heute – nach unzähligen Ausgrabungen, Studien und Analysen – ein sehr präzises Bild der Pfahlbauerzeit. Und immer wieder kommen neue Details ans Tageslicht.
10 Jahre Unesco-Welterbe
Grund genug also, die Pfahlbauten rund um die Alpen gebührend zu ehren. Seit dem Jahr 2011 zählen 111 dieser Fundstellen zum Unesco-Welterbe, der Hall of Fame wichtiger Denkmäler und Naturstätten. Heuer feiern wir also das 10-Jahr-Jubiläum.
Aus diesem Anlass wurde in Seengen ein neues Pfahlbauhaus gebaut, das beim nächsten Uferspaziergang am Hallwilersee erkundet werden kann. Die Funde aus dem Pfahlbaudorf von Seengen und den beiden weiteren Unesco-Fundstellen des Seetals in Beinwil und Hitzkirch sind im Museum Burghalde ausgestellt.
Mutige Besuchende haben dort auch die Möglichkeit, virtuell und trocken durch den Hallwilersee zu tauchen und die Pfahlbauer unter Wasser zu erkunden.
Artikel von Jonas Nyffeler, Kurator Archäologie, vom 03.06.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Wie einst die Kinderwagen am Fliessband der ehemaligen Lenzburger Wisa-Gloria-Spielwarenfabrik drehen heute Trottinette, Lastwagen und Schaukeltiere aus Holz und Metall ihre Runden im Dachgeschoss des Museums Burghalde.
Beim Anblick der farbenfrohen Spielsachen werden Kindheitserinnerungen wach. Viele der historischen Trouvaillen haben mehrere Generationen von Kindern erfreut. Was sie wohl alles erlebt haben?
Besonders anmutig schwebt der Schaukelschwan vorbei. Er ist nach dem Vorbild eines Höckerschwanes gefertigt. Als er vor rund 70 Jahren zum ersten Mal in einem Kinderzimmer stand, hatte er natürlich noch keine Dellen im Holz und die Farbe glänzte an allen Stellen. Vielleicht erzählte ja die Mutter manchmal die Geschichte des hässlichen Entleins, und die Kinder bewunderten dabei ihren schönen, neuen Schwan. So prächtig sah er aus mit seinen geschwungenen, spitzzulaufenden Flügeln.
Seine jüngeren Verwandten wurden später nur noch mit runden Flügeln gebaut. Zu dieser Zeit hatte er zwar schon ein paar Stürze hinter sich, und seine Kinder waren ihm schon entwachsen. Trotz der ersten Lackschäden konnten ihm die neuen Schaukelschwäne mit ihren runden Flügeln die Show nicht stehlen und heimlich spottete er etwas über sie.
Einmal wurde er versehentlich die Treppe hinuntergestossen. Hätte er seine Flügel bewegen können, er wäre davongeflogen. Stattdessen holte er sich eine arge Delle am Schnabel. Er fühlte sich zwar nicht sonderlich wertgeschätzt, doch er war ein unzerstörbares Spielzeug, kein sterbender Schwan. Welche echten und fiktiven Abenteuer der hübsche Schwan alles erlebt hat, lässt sich nur erahnen.
Jedenfalls wurde kein anderes Spielzeug der Firma Wisa Gloria so lange produziert wie der Schwan und seine hölzernen Artgenossen. Und das aus gutem Grund. Sie waren Meisterwerke aus Lenzburger Schreinereien. Im Laufe der Jahre aber ging das Interesse an den stabilen Holzspielsachen immer mehr verloren, und die meisten Objekte landeten nach dem Ausfliegen der Kinder und Kindeskinder im Estrich – oder erhielten, fein säuberlich restauriert, einen Ehrenplatz in der Sammlung des Museums Burghalde.
Der Schaukelschwan und viele weitere Spielzeuge der Firma Wisa Gloria können in der Dauerausstellung des Museums Burghalde bestaunt werden.
«Ausgegraben». Hier schreiben Mitarbeiter des Lenzburger Museums Burghalde jeweils in der ersten Ausgabe des Monats über originelle Fundstücke.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 05.05.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Die urgeschichtliche Archäologie hat weit mehr zu bieten als Tonscherben, Tierknochen und Werkzeuge aus Feuerstein. Neben der Eismumie «Ötzi» und Pfahlbauern auch seltsame Objektbezeichnungen. So geschehen bei «Mondhörnern», Objekten aus gebranntem Ton der späten Bronzezeit (etwa 1000 vor Christus). Deren Zweck kennt heute niemand mehr. Doch selbst wenn alles unklar ist, muss man die Dinge schliesslich beim Namen nennen. Und wenn es keinen passenden Namen gibt, wird eben einer kreiert. Für die notwendige Inspiration sorgte die Form des Objekts, welche an Stierhörner oder eine liegende Mondsichel erinnert.
Erstmals entdeckt wurden Mondhörner bereits im 19. Jahrhundert. Im Lauf der Zeit übten sich die frühen Forscher in Kreativität, um den Zweck der Fundstücke herauszufinden. Mit den verschiedenen Interpretationen änderte sich auch deren Bezeichnung: Je nach Forscher war es ein «Mondidol», ein «Feuerbock» oder ein «Kulthorn». Auch die Deutung als Nackenstütze wurde diskutiert, nach praktischen Versuchen und einer Genickstarre jedoch bald wieder verworfen. Forscher am Ende ihres Lateins Heute geht die Anzahl bekannter Mondhörner in die Tausende.
Wenn es um deren Zweckbestimmung geht, sind Forscher
allerdings weiterhin schnell mit ihrem Latein am Ende. Letzteres hilft in dieser Frage sowieso nicht weiter: Denn weder die römische Sprache noch schriftliche Quellen existierten in der Bronzezeit. Und so bleibt die Bedeutung der Mondhörner weiterhin ein Mysterium.
Ein Mysterium? Tatsächlich ist sich die Wissenschaft mittlerweile so weit einig, dass die Objekte wohl im Rahmen eines bronzezeitlichen Kultes genutzt wurden. Für die konkrete Verwendung der Mondhörner darf man seiner Fantasie aber weiterhin freien Lauf lassen. Ausstellung bis 4. Juli.
Mehr zum Thema lässt sich im Museum Burghalde erfahren: Eine Wanderausstellung präsentiert im zweiten Stock bis am 4. Juli erstmals 40 Mondhörner aus der gesamten Schweiz.
Weitere Funde zu Kult und Religion der Bronzezeit sind in der Vitrine «Archäologie aktuell» ausgestellt.
Artikel von Jonas Nyffeler, Kurator Archäologie, vom 01.04.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Vor genau einem Jahr spielte sich in den hiesigen Supermärkten ein Szenario ab, das vielen zuvor nur aus den Nachrichten von weit her oder aus Spielfilmen bekannt war. Erst schleichend, dann sehr abrupt. Die Regale der Grossverteiler waren plötzlich leergekauft. Teigwaren, Reis, Mehl und Hefe wurden einkaufswagenweise zur Kasse geschoben und waren kurzzeitig begehrte Mangelware. Klopapier drohte zur neuen Währung auf dem Schwarzmarkt zu werden.
Auch ein weiteres Produkt erlebte ungeachtet vieler Foodtrends eine echte Hochkonjunktur: die Konservendose. In solchen Zeiten wird sie endlich wieder geschätzt, denn sie tut genau, was sie soll. Sie hält Essen schmackhaft und frisch. Und das nötigenfalls für eine sehr lange Zeit. Vor 135 Jahren wurde in Lenzburg Konservengeschichte geschrieben. In jenem Sommer nahm die «Conservenfabrik Lenzburg, Henckell, Zeiler & Cie.» die Produktion auf. Gustav Henckell persönlich beschriftete in sorgfältigen Lettern die erste Dose: «Diese Dose Erbsen wurde am 17. Juni 1886, dem ersten Tage unserer Fabrikation, hergestellt». Für die seit 1910 unter dem Namen «Hero» (Henckell
& Roth) bekannte Konservenfabrik waren Erbsen bald der wichtigste Fabrikationszweig. Über 4 Millionen Kilogramm Erbsen sollen zeitweise jährlich verarbeitet worden sein. Die legendären Ravioli aus der Dose, die so manche Kindheit geprägt und aus vielen Campingausflügen bis heute nicht wegzudenken wären, kamen 1948 auf den Markt. Heute sind sie auch komplett vegetarisch erhältlich
– allerdings ohne Erbsli.
Und wie steht es um die Erbsen aus der ersten Lenzburger Konservendose? Ob diese nach über 100 Jahren noch geniessbar
wären, wird ein Geheimnis bleiben. Die Dose ist und bleibt ungeöffnet. Wird etwa im Jahr 2120 irgendwo eine ungeöffnete Dose mit der Aufschrift «Gehamstert Anfang März 2020» in einem Museum zu sehen sein? Die erste Hero-«Conserve mit Erbsen extrafein» kann seit dieser Woche endlich wieder im Museum Burghalde besichtigt werden.
Artikel von Rebecca Nobel, Leiterin Vermittlung, vom 04.03.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Mittlerweile sind die Weihnachtsbeleuchtungen abgehängt und die Tage werden wieder länger. Davon ist allerdings noch nicht allzu viel zu bemerken. Der Februar zieht sich trotz seiner Kürze in die Länge und zehrt im Allgemeinen an den Nerven und den Vitamin-D-Reserven.
Wer täglich weit zur Arbeit pendelt, weiss nur am Wochenende, wie das traute Heim bei Tag aussieht. Carpe diem? Heute tritt die Nachtruhe allerdings einiges nach dem Sonnenuntergang ein. Noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts nutzten viele Haushalte hauptsächlich Kerzen und Petrollampen zur Erhellung der Innenräume.
Seit dem Siegeszug des elektrischen Lichtes ist die Abhängigkeit vom Tageslicht deutlich geschwunden. Die Nacht wurde buchstäblich zum Tage gemacht. Arbeiten ist heute zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich, wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert.
Ganz im Sinne der biblischen Genesis: «Es werde Licht» (Fiat Lux), ward es Licht. Wir Menschen führten mit der Glühbirne quasi die biblische Schöpfungsgeschichte fort, mögen es damit vielleicht sogar etwas übertrieben haben.
Der Wunsch nach einer Beleuchtung des Eigenheims ist bereits Jahrtausende zurück auszumachen. Lange vor den Gaslampen und Petrollampen des 19. Jahrhunderts brachten Feuerstellen, Kienspäne, Kerzen, Fackeln und Öl- und Talglampen Licht ins Dunkel.
Die wohl ältesten Leuchten des Seetals stammen von Hitzkirch am Baldeggersee. Die jungsteinzeitlichen Bewohner des Sees wollten sich nicht mit einem rauchenden Lagerfeuer begnügen, das viel Holz brauchte und unbewacht rasch gefährlich werden konnte. Viel praktischer waren da die kleinen Talglampen aus gebranntem Ton. Als Brennmittel diente Tierfett, in das als Docht Moos oder Schnüre aus Pflanzenfasern gelegt wurden.
Die Lämpchen konnten dort aufgestellt werden, wo gerade Licht benötigt wurde. Eine kleine Flamme spendete gemächlich, aber geruchsintensiv genau so viel Licht wie nötig war, um sich im Haus zurechtzufinden.
Solch eine jungsteinzeitliche Talglampe aus Hitzkirch ist übrigens im Museum Burghalde ausgestellt.
Artikel von Rebecca Nobel vom 03.02.2021 in: Lenzburger Bezirks Anzeiger
Dem widmet sich am ersten Tag des neuen Jahres ein Grossteil der Bevölkerung: dem Rest vom Fest, mit dem das neue Jahr begrüsst wurde. Der eine oder andere vielleicht – je nach Intensität des Festes – auch erst am zweiten Tag. Die Umsetzung guter Vorsätze muss noch etwas warten – bis sie spätestens im Lauf des Frühlings komplett aufgegeben werden.
Dass dem Aufräumen Priorität beigemessen wird, kommt nicht von ungefähr. Mit diesem Akt werden im Grunde die letzten Altlasten des vergangenen Jahres beseitigt. Das Fest fiel dieses Mal vielleicht weniger gross aus als in anderen Jahren. Die Überreste davon sind dafür wohl umso inbrünstiger entsorgt worden – selbstverständlich unter Einhaltung der Mülltrennung.
Das Geschirr landet im Spülbecken, obwohl manch einer vielleicht ein paar Teller oder Sektgläser lieber zerschlagen hätte. Wie befreiend würde es sich wohl anfühlen, die Scherben zusammen mit dem Rest des alten Jahres vor die Tür zu kehren. Aber kaum jemand hat das wohl tatsächlich gemacht. Dazu ist das schöne Geschirr dann doch etwas zu schade. Zu unkontrolliert und kindisch wäre das Ganze. Was würden wohl die Nachbarn denken?
Weniger Hemmungen im Umgang mit Geschirr hatten die Menschen, die in der Bronzezeit – vor rund 3300 Jahren – auf dem Seckeberg in Frick ein Fest feierten. Der Anlass der Feier ist nicht bekannt. Nach dem Festschmaus zerschlug die Festgemeinschaft das dafür gebrauchte Tongeschirr. Als wäre das nicht genug, landeten die Scherben der mindestens 68 Gefässe auch noch im Feuer und wurden abschliessend vergraben. Warum die Gefässe zerschlagen wurden, ist nicht klar. Aus Freude oder vielleicht sogar aus Trauer? Waren die Gefässe eine Gabe an eine höhere Macht? Sicher steckt hinter der Zerstörung mehr als blosse Unlust auf den Abwasch. Wie dem auch sei. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass es – Nachbarn hin oder her – vielleicht ganz erfrischend sein könnte, ein neues Jahr nicht mit knallendem Feuerwerk, sondern mit klirrenden Tellern zu begrüssen. Scherben sollen ja bekanntlich Glück bringen.
Eine Auswahl des Restes vom Fest auf dem Seckeberg ist seit November in der Vitrine «Archäologie aktuell» im Museum Burghalde ausgestellt.
«Ausgegraben». Hier schreiben Mitarbeiter des Lenzburger Museums Burghalde jeweils in der ersten Ausgabe des Monats über originelle Fundstücke.
Text: Rebecca Nobel vom 06.01.2021 für Lenzburger BezirksAnzeiger
Die Adventszeit hat begonnen und überall finden sich weihnächtlich dekorierte Geschäfte, Fenster und in goldenes Licht getauchte Einkaufsstrassen. Dieses Jahr muss freilich vielerorts auf Weihnachtsmärkte und allzu gesellige Abende bei Glühwein und Punsch verzichtet werden.
Ein Grund mehr, im trauten Heim für eine Extraportion Weihnachtsstimmung zu sorgen. Dazu gehören in manchen Vorgärten leuchtende LED-Rentiere samt Schlitten. Wahlweise auch zwei bis drei Rentiere ohne Schlitten. Einzeln sollte ein Ren nämlich nicht gehalten werden. Nur in der Herde fühlen sich die flauschigen Stirnwaffenträger wirklich wohl. Und ein mit Geschenken vollgepackter Schlitten ist für ein einzelnes Tier auch ziemlich schwer zu ziehen.
Anders als während der letzten Eiszeit ist die Hirschart heute ausserhalb der Weihnachtszeit nur noch im hohen Norden zu finden, beispielsweise in Lappland, wo je nach Vorstellung und Brauchtum auch der Weihnachtsmann wohnhaft ist. Im Gegensatz zum schweizerischen Mittelland verzeichnen die nordischen Winter noch ausreichend Schnee für Schlittenfahrten.
Dass das vor nicht allzu langer Zeit in Lenzburg auch noch so war, davon zeugt eines der beliebtesten Exponate im Museum Burghalde. Ein künstlerisch toll gestalteter Hundeschlitten aus dem Besitz der Familie Hünerwadel. Die Hünerwadels hielten jedoch kein heulendes Husky-Rudel in einem Zwinger hinter dem Haus. Vielmehr wurde der besagte Schlitten von einem Pferdegespann gezogen. Der hölzerne Aufbau eines luxuriösen Kufenfahrzeuges hat vorne, ähnlich einer Galionsfigur, die Form eines Hundes. Auf der schmalen Sitzbank fanden aber wohl nur die Kinder der Familie genügend Platz. Gebaut wurde der Prunkschlitten im 18. Jahrhundert. Der Künstler ist unbekannt.
Das Barockzeitalter gilt als Blütezeit solcher Luxusschlitten, bei denen Form klar vor Funktion geht. Wer es sich leisten konnte, der liess sich in reich verzierten Hunden, Schwänen, Hirschen und Löwen oder sogar antiken Göttern durch die verschneite Landschaft kutschieren. Ob auch Rentiere beim Ziehen des Schlittens zum Zug kamen, ist leider nicht überliefert.
«Ausgegraben». Hier schreiben Mitarbeiter des Lenzburger Museums Burghalde jeweils in der ersten Ausgabe des Monats über originelle Fundstücke.
Text: Rebecca Nobel vom 03.12.2021 für Lenzburger BezirksAnzeiger
Ein Apfel ist durchschnittlich 150 bis 250 Gramm leicht. Kulturgeschichtlich betrachtet ist er hingegen ein symbolbeladenes Schwergewicht. Ob als Frucht des Baumes der Erkenntnis, Newtons Inspiration zum Gravitationsgesetz oder schillernder Apfelschuss. Die Frucht des Kernobstgewächses ziert angeknabbert elektronische Geräte, vergiftet gutgläubige Prinzessinnen und symbolisiert als Reichsapfel des Heiligen Römischen Reichs nichts Geringeres als die Weltherrschaft.
Im fernen Mostindien soll es angeblich sogar eine Apfelkönigin geben. Der sprichwörtliche Zankapfel – auch bekannt als goldener Apfel der Zwietracht – gilt sogar als Auslöser für den Trojanischen Krieg. Mit der Aufschrift «Für die Schönste» soll er an einer Hochzeit für einige Unstimmigkeit zwischen den anwesenden Göttinnen gesorgt haben. Über 20 000 Sorten des Rosengewächses, darunter auch die Sorte McIntosh, soll es weltweit geben. Zünftig also, was da jeden Herbst farbenfroh die Obstbäume ziert.
Nicht ganz ohne ist auch die Geschichte der Apfelbäumchen im Garten des Museums Burghalde. Diese sollen nämlich einer urbanen Legende nach aus den Jahrtausende alten Samen jungsteinzeitlicher Wildäpfel gezogen worden sein. Solche haben sich in einigen Fundstellen zwar durchaus erhalten. Keimen können diese Samen allerdings nicht mehr. Von welchem Apfel die Bäumchen abstammen, bleibt also ein Geheimnis. Die kleinen, leuchtend rot-grünen Früchte eignen sich jedenfalls für schmackhafte Apfelwähen – auch eine Erkenntnis!
Echte, verkohlte Wildäpfel aus der Jungsteinzeit gibts im Museum Burghalde zu bestaunen.
Text: Rebecca Nobel vom 05.11.2020 für Lenzburger BezirksAnzeiger
Eine Mischung aus Faszination und Schauder ist in den Gesichtern der Kinder zu erkennen, als ich ihnen erzähle, dass sich im nächsten Ausstellungsraum
echte Menschenknochen befinden. Genauer gesagt, ein ganzer Friedhof aus der Jungsteinzeit. Was sich für einige anhört wie ein Gruselkabinett, ist keinesfalls als solches gedacht. Schliesslich sind die 6200 Jahre alten Skelette wegen ihres kulturgeschichtlichen Wertes ausgestellt. Dieser ist bei den Steinkistengräbern vom Goffersberg gross. Denn steinzeitliche Gräber sind in der Schweiz sehr selten.
Das Grausen in den Kinderaugen schwindet allmählich. Vor allem als die Kinder erfahren, was sich aufgrund der Knochen alles über das Leben der ältesten
Lenzburger herausfinden lässt, steigt die Neugier: Weshalb wurden so viele Menschen in dieselbe Steinkiste gezwängt? Waren die Menschen miteinander
verwandt? Wieso sind sie gestorben?
Am Abend nach einem solchen gewöhnlichen Vermittlungstag räume ich die Urgeschichtswerkstatt auf und packe meine Sachen. Als ich gerade an den Gräbern
vorbeigehe, löscht bereits jemand das Licht im Ausstellungsraum. Kein Problem. Schnell ist die Handytaschenlampe gezückt. Als das schummrige Licht auf
die Knochen in der Vitrine fällt und mir die dunklen Augenhöhlen entgegenblicken, stellen sich mir auch nach all den Jahren meiner Tätigkeit als Archäologin
noch kurz die Nackenhaare auf. Zugeben würde ich das aber niemals! Das jungsteinzeitliche Gräberfeld vom Goffersberg ist in der Dauerausstellung
des Museums Burghalde zu sehen.
Das jungsteinzeitliche Gräberfeld vom Goffersberg ist in der Dauerausstellung des Museums Burghalde zu sehen. Am Sonntag, 25. Oktober, um 16 Uhr findet am Entdeckungsort der Gräber – 500 Meter vom Museum entfernt – die Einweihung der neuen Geländetafel statt.
Text: Rebecca Nobel vom 01.10.2020 für Lenzburger BezirksAnzeiger
Eine Abhandlung über Glas liesse sich auf ganz unterschiedliche Weise beginnen. Beispielsweise, dass Glas zu rund 10 Prozent aus Kalk, zu 20 Prozent aus Soda und zum grossen Rest aus Sand besteht.
Sand? Das lässt im Sommer vor allem an herrliche Strände denken – gerade, da barfuss laufen im Meeressand für die meisten eher eine Träumerei als Realität bleiben wird.
Doch die Wahrscheinlichkeit, hierzulande baren Fusses in eine Scherbe zu treten, dürfte ähnlich hoch sein wie auf einer Ferieninsel. Der herrliche Sommertag wäre also so oder so gehörig vermiest. Lieber geniessen die Daheimgebliebenen das Seetal und trinken einen kräftigen Schluck des köstlich kühlen Biers aus der Flasche.
Die Römer, die im Lindfeld vor fast 2000 Jahren lebten, tranken zwar noch kein Flaschenbier, für Glas hatten sie allerdings auch sonst reichlich Verwendung. Die Tatsache, dass eher wenig davon bis heute überdauert hat, ist übrigens dem Umstand geschuldet, dass auch die Römer schon Recycling betrieben. Glücklicherweise waren Gläser damals auch eine beliebte Grabbeigabe, sodass sich die Ausgräber und Museumsgäste auch heute noch an der Vielfalt von Formen und Farben antiker Gläser erfreuen können.
Das lateinische Wort für Sand lautet übrigens «arena». In Lenzburg gibt es zwar keine Arena wie in Rom, sehr wohl aber ein ansehnliches szenisches Theater. Also keine weiteren Träumereien von weissen Stränden. Das römische Theater ist immer einen Besuch wert. Mit 4000 (!) Sitzplätzen sollte auch das Abstandhalten in dem halbrunden Bau kein Problem sein.
Das römische Theater ist öffentlich zugänglich. Glasfunde aus der Römerzeit und anderen Epochen gibts im Museum Burghalde Lenzburg.
Bild: Arena für 4000 Besucher: Modell des römischen Theaters in Lenzburg. Sammlung Museum Burghalde Lenzburg
Text: Rebecca Nobel vom 03.09.2020 für Lenzburger BezirksAnzeiger