Viele von uns schätzen den Wald als Erholungsraum. In der grünen Oase tanken wir Kraft, lassen die Seele baumeln und können – abseits gesellschaftlicher Normen und sozialer Zwänge – einfach sein. Natur pur halt. Und doch steckt mehr Menschengemachtes im Wald, als manchen bewusst ist.
Aus Urwald wird Kulturwald Angefangen hat der menschliche Einfluss bereits in der Jungsteinzeit. Erstmals besiedelten sesshafte Bauern das Schweizer Mittelland. Ihr wichtigster Rohstofflieferant: der Wald. Bau- und Brennholz gab es zur Genüge, und Rinde, Harz, Bast, Blätter, Pilze oder Kräuter waren im Alltag unverzichtbar. Auch Wild war begehrt, das nicht nur von nose to tail, sondern inklusive Haut, Sehnen, Knochen und Geweih verwertet wurde.
Mit seinen Vorlieben für bestimmte Pflanzen veränderte der Mensch die Artenzusammensetzung. Beispielsweise fällte er alte dicke Eichen für Bauholz oder nutzte Eiben für leistungsfähige Pfeilbögen. Solche Bäume waren deshalb nicht mehr so häufig im Wald anzutreffen. Über die Zeit nahm die Nutzung des Waldes immer stärker zu. Unberührte, im umfassenden Verständnis «natürliche» Wälder gibt es in der Schweiz heute deshalb keine mehr.
Erfindung der Nachhaltigkeit Der akute Holzmangel im 18. Jahrhundert führte zu einer wichtigen Erkenntnis: Es darf nur so viel Holz aus dem Wald, wie wieder nachwächst. Das Prinzip der Nachhaltigkeit war erfunden. Um der Holzproduktion nachzuhelfen, werden seither Bäume gepflanzt und gepflegt. «Waldbau» nennt sich diese Arbeit des Försters in der Fachsprache.
Der Natur hilft der Mensch künstlich wieder auf die Sprünge, indem er Biotope schafft und Totholz liegen lässt. Und an manchen Stellen lässt er den Wald wieder ganz in Ruhe, und die Grenze zwischen Kultur- und Naturwald verschwindet.
Auch das Museum Burghalde baut auf dem Seifiparkplatz einen Kulturwald. Einige Bäume sind schon da, weitere folgen Mitte Monat. Der Wald entsteht für die neue Sonderausstellung «Schatzkammer Wald», die im März ihre Türe öffnet.
Spannende Geschichten und originelle Fundstücke aus Lenzburgs Estrichen, Kellern und Waldungen werden hier von Mitarbeitenden des Museum Burghalde vorgestellt.
Die Kolumne im Lenzburger Bezirks Anzeiger erscheint ab Januar 2023 jeweils in der ersten Ausgabe des Monats.
Gebauter Wald (Kolumne 2)
Viele von uns schätzen den Wald als Erholungsraum. In der grünen Oase tanken wir Kraft, lassen die Seele baumeln und können – abseits gesellschaftlicher Normen und sozialer Zwänge – einfach sein. Natur pur halt. Und doch steckt mehr Menschengemachtes im Wald, als manchen bewusst ist.
Aus Urwald wird Kulturwald Angefangen hat der menschliche Einfluss bereits in der Jungsteinzeit. Erstmals besiedelten sesshafte Bauern das Schweizer Mittelland. Ihr wichtigster Rohstofflieferant: der Wald. Bau- und Brennholz gab es zur Genüge, und Rinde, Harz, Bast, Blätter, Pilze oder Kräuter waren im Alltag unverzichtbar. Auch Wild war begehrt, das nicht nur von nose to tail, sondern inklusive Haut, Sehnen, Knochen und Geweih verwertet wurde.
Mit seinen Vorlieben für bestimmte Pflanzen veränderte der Mensch die Artenzusammensetzung. Beispielsweise fällte er alte dicke Eichen für Bauholz oder nutzte Eiben für leistungsfähige Pfeilbögen. Solche Bäume waren deshalb nicht mehr so häufig im Wald anzutreffen. Über die Zeit nahm die Nutzung des Waldes immer stärker zu. Unberührte, im umfassenden Verständnis «natürliche» Wälder gibt es in der Schweiz heute deshalb keine mehr.
Erfindung der Nachhaltigkeit Der akute Holzmangel im 18. Jahrhundert führte zu einer wichtigen Erkenntnis: Es darf nur so viel Holz aus dem Wald, wie wieder nachwächst. Das Prinzip der Nachhaltigkeit war erfunden. Um der Holzproduktion nachzuhelfen, werden seither Bäume gepflanzt und gepflegt. «Waldbau» nennt sich diese Arbeit des Försters in der Fachsprache.
Der Natur hilft der Mensch künstlich wieder auf die Sprünge, indem er Biotope schafft und Totholz liegen lässt. Und an manchen Stellen lässt er den Wald wieder ganz in Ruhe, und die Grenze zwischen Kultur- und Naturwald verschwindet.
Auch das Museum Burghalde baut auf dem Seifiparkplatz einen Kulturwald. Einige Bäume sind schon da, weitere folgen Mitte Monat. Der Wald entsteht für die neue Sonderausstellung «Schatzkammer Wald», die im März ihre Türe öffnet.
In den Wäldern Lenzburgs gibt es einen besonderen Schatz. Sein Ursprung reicht in vergangene Zeiten zurück. Wie durch Zauberhand vermehrt sich dieser Schatz, wird immer prächtiger und wertvoller. Und wer die schönsten Stücke davon mitnimmt, erlangt grossen Reichtum.
Walo von Greyerz als Auslöser Was wie ein Märchen klingt, liegt näher an der Realität, als man denken mag. Walo von Greyerz hiess der Mann, dem wir den erwähnten Schatz zu verdanken haben. Der ausgebildete Forstmann und Chef der aargauischen Artillerie trat 1848 seinen Dienst als Forstverwalter in Lenzburg an.
Holz war knapp. Von Greyerz hatte das Ziel, den Wald erstmals nachhaltig zu bewirtschaften. Wie er das tat, mag heute erstaunen, doch sein Vorgehen hatte Erfolg. Jedes Jahr liess er eine Fläche des bestehenden Waldes roden und das Wurzelwerk rausreissen. Der Holzbedarf war damit erst einmal gedeckt. In die Schneisen der Zerstörung pflanzte er neuen Wald.
Seine militärische Ausbildung blieb dabei nicht unbemerkt, wuchsen die neuen Bäume doch in strammen Reihen von exakt anderthalb Meter Abstand. Jede zweite Reihe bestand aus schnellwüchsigen Arten wie Lärche. Bereits nach 30 Jahren sollten diese als Brennholz wieder gefällt werden.
Brennholz wurde zu «Gold» Die Lärchen wuchsen jedoch nicht so schnell wie erhofft. Und so kommt es, dass noch heute Hunderte dieser alten Bäume im Wald stehen. Wie im Märchen verwandelten sie sich vom einfachen Brennholz in einen wertvollen Schatz: Auf Auktionen erzielen die langsam gewachsenen Stämme hohe Preise, so hoch, dass diese Lärchen heute auch als «Lenzburger Gold» bekannt sind.
Der Grossteil der Bäume endet aber nicht in der Sägerei, sondern verbleibt im Wald. Auf dass wir uns noch lange an unserer Schatzkammer erfreuen können.