Voller Energie

Die Artikel zum Themenjahr «Voller Energie», verfasst von Mitarbeitenden des Stadt- und Regionalmuseums Lenzburg, erscheinen im Lenzburger Bezirks-Anzeiger jeweils am ersten Donnerstag des Monats ab Januar 2022.

Die gleichnamige Sonderausstellungen in der Dépendance Seifi und im Ikonenmuseum Schweiz, die zweibändige Jubiläumspublikation mit ihren thematisch breiten Artikeln rund um Wasser und Energie ergeben ein vielfältiges Themenjahr anlässlich des Zentenariums der SWL Energie AG.

Im Kreis (Kolumne 10)

Warum eigentlich hat der Ausdruck «sich im Kreis drehen» in unserem Sprachgebrauch einen negativen Beigeschmack? Im Sinne von «nicht vorwärts kommen» und «an derselben Stelle verharren» steht die Wiederholung für Stillstand und fehlenden Fortschritt.

Dabei dreht sich doch auch die Natur im Kreis. Und, vereinfacht formuliert, beruht die Umwelt auf dem Kreislauf: Erneuerung und Weiterentwicklung basieren auf bewährten Konzepten. Sind sie doch gleichermassen wesentliche Bestandteile für das ökologische Gleichgewicht.

Schon in der Primarschule haben wir gelernt, wie sich Wasser in verschiedenen Aggregatszuständen im Kreislauf bewegt, schmilzt, versickert, verdampft und erneut zu Boden fällt.

Zerstörte Kreise
Lassen wir die eigenen Gedanken kurz in die Antike zum Mathematiker und Ingenieur Archimedes kreisen: dem lief der Legende nach ein römischer Soldat in den Kreis und zerstörte damit die mathematischen Zeichnungen im Sand, worauf jener seine berühmten Worte gerufen haben soll: «Störe meine Kreise nicht!»

Das Zerstören der Kreise kann sinnbildlich für das ungeachtete Eindringen in die ökologischen Kreisläufe der Natur gesehen werden.

Heute stehen wir wohl an einem Schwellenmoment, wo Fragen wie «Inwiefern hat unser Wirken Einfluss auf die Natur?» und «Was können wir von der Natur lernen?» umso tiefgreifender erkundet werden wollen.

Einmal mehr die Gedanken kreisen zu lassen und über die Logik des Kosmos zu sinnieren, führt uns vielleicht zu rücksichtsvolleren Lösungen für die Natur, die Gesellschaft und uns selbst.

Mutter Natur hat doch längst kapiert, dass sich im Kreis drehen lange währt. Mehr über ressourcenschonende Zyklen erfährt man übrigens in der aktuellen Sonderausstellung «Voller Energie» im Museum Burghalde in Lenzburg und im gleichnamigen Buch.

«Voller Energie». Hier stellen Mitarbeitende des Museum Burghalde Lenzburg jeweils in der ersten Ausgabe des Monats spannende Geschichten und originelle Fundstücke aus dem weiten Themenfeld «Energie» vor.

 

Bildnachweis: Endlos: Die Erde im Kreislauf in der Sonderausstellung «Voller Energie» im Lenzburger Museum Burghalde. Foto: Simon von Gunten


Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 2.6.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Völlig stromgelöst (Kolumne 11)

Energie in all ihren Facetten.
Voller Energie – Im Kreis.
Das energiepolitische Dreieck.
Energie – what else?

Energie-Allianz:
Vielstimmiger Chor,
Lied der Eigenverantwortung
– schiefe Töne garantiert.

Zeitenwende erreicht die Schweiz.
Machtspiel um Erneuerbare.
Energiekrieg verteuert WC-Papier.
Günstig trotz Strompreisschock.

Energieverbrauchsparbefehl.
Energiesparfallen. Energiesparzubehör.
Hitparade der Energiespargeräte.
Ein Fragebogen zum Schluss.

Energie oder Naturschutz?
Saubere Energie im Überfluss.
Umweltlobby gerät in Rücklage.
1:0 für Fisch und Verfassung.

Der Energie-Krieg läuft heiss.
Mit trockenen Wänden Energie sparen.
Vom Planetenschauer zur Kulturdusche.
Strom ernten im All!

Kochen auf Sparflamme.
Sparen mit Köpfchen.
Regelmässiges Stosslüften.
Wenn der Wissenschaft der Pfuus ausgeht.

Frieren wegen Heizungsersatz.
Blackout-Risiko durch Abschaltregime.
Blackout als Schreckgespenst.
Es werde dunkel.

19 Grad in der Stube:
Umwandeln von Strommangel
in romantische Energie.
Völlig stromgelöst.

Hinweis: Thementag rund um Energie für Klein und Gross. Am 5. November im Museum Burghalde im Rahmen von 100 Jahre SWL Energie AG. Infos und Anmeldung: www.vollerenergie.ch.

«Voller Energie». Hier stellen Mitarbeitende des Museums Burghalde Lenzburg jeweils in der ersten Ausgabe des Monats spannende Geschichten und originelle Fundstücke aus dem weiten Themenfeld «Energie» vor.

 


Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 2.11.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Heisse Luft (Kolumne 8)

In diesem Hitzesommer können von der heissen Luft alle ein Lied singen. Da sorgt höchstens ein Sprung in den Aabach für Abkühlung des erhitzten Kreislaufs.

Genau um heisse Luft geht’s auch in dieser Kolumne: Was die findigen Naturwissenschafter seit der Antike interessierte, war die unvorstellbare Kraft von Wasserdampf für den Antrieb allerlei Maschinen: Ein legendäres Objekt der Industriegeschichte steht seit über 120 Jahren noch heute in den Gebäuden der ehemaligen Wisa-Gloria-Spielwarenfabrik: Eine Dampfmaschine.

Was im Jahre 1882 als Kinderwagenfabrik in der unteren Mühle begonnen hatte, sollte in den 1950er-Jahren zur Marktführerin mit über 500 Arbeitsplätzen avancieren, um schliesslich durch den überhitzten Markt im Plastikzeitalter – kurz vor der Jahrtausendwende – wieder zu erlöschen.
Ebenfalls ein Dauerbrenner waren seit dem 19. Jahrhundert Spielzeugversionen von Dampfmaschinen, so etwa die handgebauten Objekte des Aargauers Hugo Augstburger um 1960. Ein prächtig erhaltenes Exemplar ist in der aktuellen Sonderausstellung «Voller Energie» bis Ende Jahr zu bestaunen.

Mit heisser Luft kamen andere Erfindungen wortwörtlich zum Fliegen: 1783 war erstmals ein bemannter Heissluftballon – die Montgolfière –  aufgestiegen.

Mit dem besser lenkbare Zeppelin – dann mit einem Gasgemisch gefüllt – ist der Name Graf Zeppelin fest verbunden. So eine «Zigarre» wurde auch in den 1910er-Jahren über Lenzburg gesichtet. Wer selbst einmal mit der ganzen Familie einen Höhenflug im Heissluft-Ballon erleben möchte, der kommt vielleicht im Rahmen des Burghalde-Museumsfests Ende August in den Genuss. Das ist nämlich der Hauptpreis der Verlosung. Teilnahme auf der Jubiläumswebsite www.vollerenergie.ch.

«Voller Energie». Hier stellen Mitarbeitende des Museum Burghalde Lenzburg jeweils in der ersten Ausgabe des Monats spannende Geschichten und originelle Fundstücke aus dem weiten Themenfeld «Energie» vor.

 

Bildnachweis: Nicht mit heisser Luft gefüllt: Ein Zeppelin in den 1910er-Jahren über Lenzburg. Foto: Arnold Rohr/Sammlung Museum Burghalde

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 2.6.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Superpower (Kolumne 6)

Wenn Himmel und Hölle beben, Blitz und Donner den Tag zur Nacht machen, tosende Wogen und heftige Sturmböen wüten und sich ganze Meere teilen, Feuersäulen lodern, Sträucher brennen und die Welt aus den Fugen zu geraten scheint, dann kann dieses Donner und Doria eigentlich nur folgenden Quellen entstammen: der Bibel, Comics, Fantasyfilmen oder der Tagesschau.

Zugegeben, diese Aufzählung in einem Atemzug ist doch ziemlich gewagt. Die aufwühlende Realität aus letzterem Kanal möge hier für einen Moment ausgeblendet werden. Doch es ist wohl gerade diese Betroffenheit, ja die persönliche Ergriffenheit, welche die sakrale und die profane Erzählung so stark verbindet und gleichzeitig voneinander trennt. Schnitt.

Klar, was die Stichwörter «Comic» und «Superpower» als Erstes hervorrufen: Superman, Wonderwoman und Co., sprich: Superheldinnen und -helden, wie sie Netflix nur zu oft ins eigene Wohnzimmer projiziert. Die Story dürfte auch schnell analysiert sein, wenn Superkräfte die Naturgesetze aushebeln. In Comicheften wie auf orthodoxen Holztafeln werden nämlich epische Kämpfe von Gut und Böse – mal mehr, mal weniger tödlich – ausgefochten. Zwischen Himmel und Hölle «fighten» da Superheroes versus Villains – in «Bibelsprache»: Engel gegen Dämonen, Heilige gegen Teufel, Gott versus Satan – um Leben und Tod, schlussendlich um (Seelen)Frieden, Freiheit und die Erlösung von der ewigen Verdammnis.

Dass dieser Plot von Mickey und Donald weit entfernt ist, wird deutlich. Die Ernsthaftigkeit von Comic als eigenständige Kunstform und mit eigenem Forschungsfeld zeigt etwa die neu eröffnete Ausstellung «Superpower» im Ikonenmuseum des Museums Burghalde in Lenzburg.

Eine ketzerische Frage sei hier aber vergönnt: Sind moderne Superheroes eigentlich orthodoxe Heilige, bloss modisch gepimpt?

Bildnachweis: Eindrücklich. «Die feurige Himmelfahrt des Propheten Elija» auf einer orthodoxen Ikone, um 1800. Foto: Ikonenmuseum Schweiz, Lenzburg

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 2.6.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Lenzburger Lebensquell (Kolumne 5)

Rund um den Globus sprudelt das Geschäft mit Trinkwasser. Beim Blick auf die hiesigen Verkaufsregale fällt die Vielzahl an Mineralwassersorten auf. Dass beim enormen Wasserreichtum in unseren Breitengraden die unterschiedlichsten Quellen und somit Marken hervorgingen, ist vielfach dokumentiert. Da mag erstaunen, dass für deren Vermarktung häufig dieselben Symbole Verwendung fanden. Überblickt man nämlich die bunte Werbegrafik der letzten gut 120 Jahre, so tauchen darin drei Motive immer wieder auf: Der Zauberzwerg verkörpert die Magie des natürlichen Reinigungsprozesses im Berg; der Athlet strotzt vor Vitalität und das Baby als Sinnbild der Jugendlichkeit.

Nicht umsonst ist Wasser in den meisten Regionen der Welt heilig, steht es doch für eine heilende und geheimnisvolle Lebenskraft. Wasser gilt als Symbol des Lebens, der Erneuerung und der Reinigung. Da wird auch klar, warum der «Jungbrunnen» in der Populärkultur und in der Kunst so häufig zitiert wird – «Indiana Jones» und «Pirates of the Caribbean» lassen grüssen.


Dass der Lenzburger Künstler Werner Büchly (1871-1942) neben Helden- und Prophetenbildern etwa am Angelrainschulhaus oder in der Kirche Othmarsingen ebenfalls das Symbol des ewigen Lebens aufgriff, ist naheliegend. Wer hätte aber gedacht, dass die Recherchen nun einen Plakatentwurf für ein «Lenzburger Mineralwasser» hervorbringen würden? Die Vermutung, dass es sich beim beworbenen Produkt um ein besonders kostbares Wasser handelt lässt sich an einem unserer 57 Lenzburger Brunnen bekräftigen.

PS: In der aktuellen Sonderausstellung ist Büchly übrigens mit einer weitere Darstellung des Lebensquells vertreten, nämlich für das Rathaus in Rheinfelden von 1909.

Bildnachweis: Nach dem Original wird weiter recherchiert: Werbeplakat für «Lenzburger Mineralwasser» um 1900 von Werner Büchly für die Weinhandlung seines Bruders Luis. Foto: Museum Burghalde Lenzburg.

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 5.5.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Helle Köpfe (Kolumne 4)

Im Laufe der Zeit traten immer wieder einmal grosse Leuchten ins Rampenlicht – oder blieben selbst im Dunkeln – und veränderten mit ihren Geistesblitzen den Lauf der Geschichte.

Einen lichten Moment hatte Benjamin Franklin vor 270 Jahren in einer Gewitternacht, als ein Blitz in seinen fliegenden Drachen einschlug und die Funken stoben. Die elektrische Spannung (Volt) geht auf die Erfindung der Batterie durch den gleichnamigen Physiker Alessandro Volta zurück. Ampère begründete die Elektrodynamik und erklärte als Erster den Magnetismus. Damit legte er den Grundstein zum Bau von Generatoren zur Stromerzeugung. Thomas Edison patentierte die Glühbirne, wobei der eigentliche Erfinder der Kohlefadenlampe, Joseph Wilson Swan, ein Schattendasein fristet.

Eine Leuchtspur hinter sich her zog George Westinghouse, durch dessen Druckluftbremse der Eisenbahnverkehr sicherer wurde. Durch den Einsatz von Wechselspannung verhalf er ausserdem der elektrischen Energieübertragung zum wirtschaftlichen Durchbruch. Mit den 300 Patenten, die er zahlreichen anderen Erfindern wie etwa Nikola Tesla abgekauft hatte und gemeinsam mit eigenen Ideen vermarktete, mit 60 Fabriken und seinen 50’000 Arbeitnehmenden avancierte er zum grössten Arbeitgeber seiner Zeit.

Diese und weitere helle Köpfe knipsten mit ihren Innovationen die Schalter zu Zeitenwenden in der Menschheitsgeschichte: Wir nennen sie Industrialisierung, Mechanisierung, Automatisierung, Miniaturisierung und aktuell Digitalisierung. Die nächste Etappe liegt indes noch im Dunkeln.

PS: Im Jubiläumsbuch zur gleichnamigen Sonderausstellung «Voller Energie» lässt sich die Leuchtspur der Erfindungen nachlesen.

Bildnachweis: «Lampadine Pop». Zwei Sammlerstücke aus Muranoglas (1989), zu bewundern in der Sonderausstellung im Museum Burghalde. Foto: Museum Burghalde Lenzburg.

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 7.4.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Gold im Mund (Kolumne 3)

Über unseren Ressourcenverbrauch nachzudenken, kann schon ab und an Kopfzerbrechen bereiten. Schon dem sagenumwobenen Herrscher Midas rief Verschleiss jeglicher Art Zähneknirschen hervor – wortwörtlich: Um seine unendliche Gier zu stillen, wünschte er sich nämlich von den Göttern, dass sich alles, was er anfasste, in Gold verwandelte. Dumm nur, dass auch die Fruchthappen just in dem Moment, als sie in seiner Mundhöhle verschwanden, zu Gold im Mund wurden.

Sein gigantischer Geiz wurde nur von seiner eigenen Dummheit getoppt. Deswegen wurden ihm nämlich von Apollon, dem Gott der Künste, die Ohren lang gezogen. Die Schmach der Eselsohren sollte niemand erfahren, wurde aber dennoch vom königlichen Barbier in die Binsen geflüstert, so dass es schlussendlich die ganze Welt erfuhr. Übertragen auf unser Thema ist die sogenannte «Binsenwahrheit» also: «Es ist nicht alles Gold, was glänzt».

Vergoldete Konservenbüchse
Künstlerisch umgesetzt hat obigen Gedankengang die Baslerin Aletheia Zoeÿs in ihrem kleinformatigen Kunstwerk «Midas Wish» (2021). Höchst ästhetisch bewirbt die historisierende Etikette die göttlich-goldenen Fruchthälften und deren verjüngende Wirkung – eingemacht in einer vergoldeten Konservenbüchse. Das afrikanische Erbe Zoeÿs’ dürfte der Aussagekraft umso mehr Brisanz verleihen.

In der neuen Sonderausstellung «Voller Energie» des Museums Burghalde mag das vergoldete Objekt bei der Themeninsel rund um den übermässigen Ressourcenverbrauch wohl zum Nachdenken anregen. Des Reichtums an sauberem flüssigem Gold wird man sich in diesem szenografischen Kontext umso deutlicher bewusst.

Bildnachweis: «Midas Wish» (2021) von Aletheia Zoeÿs. Foto: Museum Burghalde Lenzburg.

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 3.3.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

... oder wenn alles (zer)fliesst (Kolumne 2)

Als stünde der kultige Bosch-Kühlschrank auf einer heissen Platte und zerflösse wie schmelzendes Eis, so nimmt die Arbeit des Schweizer Künstlers Mike Cadurisch Bezug auf die zerfliessenden Inhalte und Formen.

Das Werk «Winterschmelze 22» aus der Serie «Molten Objects» spielt auf humorvolle und ironische Weise auf das langsame Zerrinnen der technischen Errungenschaften an und mag zum Nachdenken anregen – vielleicht gerade, weil das Motiv an bereits verschwundene Gletscher wie den Pizol als Teil der Unesco-Welterbe-Tektonikarena Sardona erinnert.

Ob nun das blaue LED-Licht im Inneren des Gefrierschranks auf die philosophische Frage nach Realität oder Illusion aus «The Matrix» (Red Pill or Blue Pill?) referiert, sei dahingestellt. Vielleicht will Kunst als «Trompe-l’œil» einfach nur die Sinneswahrnehmung kitzeln und zum Staunen einladen – ganz wie die überraschenden Eigenschaften von Wasser und die (Energie-)Kraft für Veränderung.

Was das alles mit Lenzburg zu tun hat? Obiges Werk ist ab März in der neuen Sonderausstellung «Voller Energie» in der Dépendance Seifi des Museums Burghalde zu bestaunen. Anlass bietet das Zentenarium der SWL Energie AG. Nämlich vor genau hundert Jahren wurden die bis 1922 privat geführten Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgungsbetriebe vereinigt.

Doch die Geschichte rund um Wasser und Energie reicht deutlich weiter und öffnet thematische Fenster für eine Horizonterweiterung: Der hohe Aktualitätsbezug, die persönliche Betroffenheit und unsere gesellschaftliche Abhängigkeit von Wasser und Energie verleihen dieser Themenvielfalt eine enorme Spannkraft.

Mehr Elektrifizierendes über Nanotechnologie, Superpower, Wasseraktivität und Zukunftstechnologie gibts in den nächsten Kolumnen …

Bildnachweis: «Winterschmelze 22», Werk von Mike Cadurisch, Teil der Sonderausstellung «Voller Energie»

Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 2.2.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.

Lenzburger Funkenflüge (Kolumne 1)

Bei wem sind die guten Vorsätze eigentlich auch bereits mit dem Silvesterfeuerwerk verpufft? Eine Rückschau dürfte neben Bässen, Champagner und Kater (danach) zum Jahreswechsel schon mal drin liegen. In dieser Kolumne sei die Linse auf die Brennpunkte von Lenzburgs Geschichte gerichtet. Funkenflüge findet man da nämlich auch.

Dass Funken chemisch, physikalisch und gar metaphysisch so manches Feuer entfachen, lässt sich leicht belegen: Ein Schlag mit dem Feuerstein (Silex) auf Katzengold (Pyrit) reicht für den zündenden Funken zu leckeren Pfahlbaubrötli und Urzeitsuppe im Museum – ganz nach dem Vorbild unserer Ahnen vom Gofi oder vom Hallwylersee. Den Lenzburger Metallurgen der verschiedenen Jahrhunderte reichte ebenfalls ein zündender Funke, um römische Grabbeigaben aus Bronze, mittelalterliche Lanzen und Abendmalhskelche, Wisa Gloria-Dreiräder oder Dosenblech für Hero-Erbsenbüchsen zu fertigen.

Übrigens: fragt man im Freundeskreis nach «Lenzburg», fallen schnell Begriffe wie: «JVA», «Schloss», «Wisa Gloria» und «Hero». Was damit ist, Bahnhof. Das war's dann also? Denkste! Diese Identitätsmarken ermöglichten teils weltbewegende Innovationen mit Vorbildcharakter: In humanitärer Sicht etwa setzte Lenzburg mit dem ersten JVA-Direktor Johann Rudolf Müller neue Massstäbe im humanitären Strafvollzug und erlangte europaweit Anerkennung. Die schönste Höhenburg der Schweiz, einst Bildungsinstitut unter Christian Lippe, zeugt von Pestalozzis Methode mit «Kopf, Herz und Hand». Der Polarforscher Lincoln Ellsworth etwa fand vom Schloss in die Arktis und damit Eingang in die Geschichtsbücher. Wie vielen Kindern der Schaukelschwan ein Funkeln in die Augen zauberte, ist nicht bezifferbar. Schliesslich entflammte mit dem Erfindergeist rund um Hero und Co. vor 1900 eine enorme Nachfrage nach Convenience-Food und damit ein gesellschaftlicher Wandel – Stichwort «Industrialisierung». Lenzburger Funkenflüge also gibt es derer zuhauf – auch in den nächsten Kolumnen, wenn die Spannung mit Energieeffizienz, Superpower und Zukunftstechnologien steigt.

Bildnachweis: Originalentwurf (Ausschnitt) für eine Hero-Produktwerbung für die Nordpolexpedition von Robert Edwin Peary im Jahr 1909. Hero-Archiv, Museum Burghalde Lenzburg.


Artikel verfasst von Marc Philip Seidel, Museumsleiter, Kurator «Voller Energie», erschienen am 6.1.2022 in der Kolumne «Voller Energie» in Lenzburger Bezirks Anzeiger.